Massentierhaltung

Verbraucherschutztipps – Antibiotika in der Massentierhaltung

Antibiotika spielen in der Massentierhaltung seit vielen Jahren eine enorm wichtige Rolle, sie sind auch heute aus dieser nicht wegzudenken. Denn sie beeinflussen die Futterverwertung der Tiere. Konkret bedeutet das: Die Tiere können in kürzerer Zeit mehr Gewicht zulegen, sie erreichen ihr Mastziel schneller und können früher geschlachtet werden.

Lange wurden Antibiotika daher ganz regulär an große Bestände verfüttert, da sie als Leistungssteigerer eingesetzt werden konnten. Diese Praxis ist seit 2006 in Deutschland und in der EU verboten. Zum anderen werden sogenannten Nutztieren in der „Intensivtierhaltung“ seit jeher die Umstände und Bedingungen aufgezwungen und diese nicht nach den Bedürfnissen der Tiere ausgerichtet. Viele Bereiche der Tierhaltung werden von Gesetzen nicht oder nur so unzureichend geregelt, dass alleine der Platz einer Mast halle die Besatzdichte und damit den Profit des Mästers bestimmt. Dies führt jedoch dazu, dass die Tiere massiv unter den Haltungsbedingungen leiden und zum Erhalt ihrer Gesundheit auf Medikamente angewiesen sind. Viele sogenannte Nutztiere würden ohne die Gabe von Antibiotika gar nicht bis zum Ende der Mastperiode überleben, auch weil sich Krankheiten und Infektionen in den Mastställen rasend schnell ausbreiten. Dies wiederum sorgt immer wieder für negative Schlagzeilen, weil in Fleischproben Antibiotikarückstände nachgewiesen werden.

Regelmäßig erreichen Untersuchungen Werte von über 90% mit Antibiotikaresten belasteter Proben verschiedener Fleischsorten.

Das ist vor allem deshalb bedenklich, weil beim regelmäßigen Verzehr Resistenzen gegen Medikamente verursacht werden. Im Notfall reagieren Betroffene dann nicht mehr auf Antibiotika – mit schlimmen Folgen: Mehr als 1,3 Millionen Todesfälle sind jedes Jahr weltweit zurückzuführen auf solche Resistenzen. Seit 2011 müssen Pharmakonzerne melden, wie viele Medikamente sie an Tierärzte abgeben. Seitdem ist die Menge der verabreichten Antibiotika nach offiziellen Angaben gesunken. Allerdings bezieht sich diese Angabe nur auf das Gewicht, nicht auf den Wirkstoff. Denn im gleichen Zeitraum ist der Anteil sogenannter Reserveantibiotika stark gestiegen auf mittlerweile rund 40% der insgesamt eingesetzten Mittel. Diese sollten eigentlich der Humanmedizin vorbehalten sein. Sie bringen weniger Gewicht auf die Waage, bedeuten aber besondere Risiken. Sie sollten nur dann eingesetzt werden, wenn herkömmliche Medikamente nicht mehr anschlagen. Werden sie aber durch den Konsum tierischer Erzeugnisse wie Fleisch, Milch oder Eier auf den Menschen übertragen, gibt es schlimmstenfalls im Notfall keine Rettung mehr.

Immer wieder dokumentieren Tierschützer die Zustände und bringen die Bilder in die Öffentlichkeit.
Immer wieder dokumentieren Tierschützer die Zustände und bringen die Bilder in die Öffentlichkeit. Foto: © Jan Peifer

Auf einer Ministerkonferenz zum Thema Antibiotikaresistenzen, die im November 2020 in Muskat im Oman stattfand, verpflichteten sich 39 Länder – darunter die großen Agrarproduzenten Russland und Indien – aufgrund der großen Risiken, den Einsatz von Antibiotika in der Landwirtschaft bis 2030 um 30 bis 50 Prozent zu reduzieren. Allerdings gehen Experten davon aus, dass sich der tatsächliche Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung im Gegensatz dazu sogar noch steigern wird. Einer der Gründe ist, dass die Verlässlichkeit der Meldung von Antibiotikaeinsätzen sehr schwankend ist. Vor allem auf den wachsenden Märkten in Asien und Afrika kann der Einsatz von antimikrobiellen Mitteln nicht nachvollzogen werden.

Dicht gedrängt: So leben Millionen von Puten in Deutschland.
Dicht gedrängt: So leben Millionen von Puten in Deutschland. Foto: © Jan Peifer

Meldungen an die Weltorganisation für Tiergesundheit erfolgen nur nach Kontinenten gebündelt und auch nicht von allen Staaten. Es wird daher vermutet, dass der Verbrauch von Antibiotika teilweise doppelt so hoch ist wie der offiziell gemeldete Wert. Einerseits braucht es also mehr Kontrollen und strengere Gesetze. Andererseits, und das ist noch viel wichtiger: Es muss sich an der Art, wie Tiere gehalten werden, grundsätzlich etwas ändern. Nur so kann erreicht werden, dass Antibiotika und andere Medikamente auch in der Tierhaltung dann zum Einsatz kommen, für den sie auch gedacht sind: zum Helfen und Heilen. Seit 2014 muss nach dem Arzneimittelgesetz die Antibiotikaabgabe auf ein therapeutisch unverzichtbares Mindestmaß reduziert werden. Auch wenn die Agrarlobby genau dies auch als ihre Haltung verbreitet – die Realität sieht auch in deutschen Ställen ganz anders aus.

Jan Peifer